Digitale Kompetenz und Veränderung
Immer, wenn sich etwas in unserem (Arbeits-)Umfeld verändert, ist dies erst einmal ein Einschnitt in unsere Komfortzone. Umgang mit Veränderungen fällt den meisten Menschen schwer. Selbst wenn Sie sich die Veränderung selbst wünschen. Menschen neigen dazu, sich auf Bewährtes zu verlassen, und sich in dem Umfeld zu bewegen, das sie bereits kennen. Gemäß dem Motto: "Never change a running system". Wenn Digitalisierung sein "muss", dann bleiben manche gerne bei den bekannten Systemen und Anwendungen. Das gibt Sicherheit. Es besteht keine Gefahr der Überforderung, oder vor unliebsamen Überraschungen.
Wachstum durch digitale Kompetenz
Wahres Wachstum findet außerhalb dieser Komfortzone statt. Wachstum für Klinik, Spital und Arztpraxis, ebenso wie persönliches Wachstum, z.B. durch digitale Kompetenzen. Wenn Sie weiterhin das tun, was Sie bereits kennen und können, werden Sie dort bleiben, wo Sie bereits sind. Bei einer Umstrukturierung Ihrer Klinik bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zu lernen, mit der veränderten Situation umzugehen, und neue Felder oder Lösungen in Digitalisierung und Zusammenarbeit zu finden.
Digitale Kompetenz und Wachstum entstehen dadurch, bekannte Wege zu verlassen, und sich außerhalb der eigenen, selbst geschaffenenen Komfortzone zu bewegen. Natürlich besteht die Gefahr, Liebgewonnenes zu verlieren. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit zu scheitern. Es ist anstrengender, kostet Energie und Zeit. Doch es lohnt sich. Die Nutzung von Fitness-Uhren, Video-Meetings, Gaming, Blogging, Nutzung von Social Media Accounts, Online-Tutorials und vieles mehr gehört in den Bereich der digitalen Kompetenz. Das bedeutet, selbst Mitarbeiter mit Vorbehalten gegenüber der Digitalisierung haben oftmals positive Erfahrungen gemacht mit digitalen Medien oder Technologien. Der private Umgang mit Digitalisierung ermöglicht Spaß, Kontakte zu anderen oder "gesundes Wissen".
Beispiele für Digitalisierung in Klinik, Spital und Arztpraxis
Die Einführung der eAU, der ePA oder des eRezepts sind Themen, die bisweilen kontrovers diskutiert werden. Zu Beginn erfordert die Einführung sicherlich einen erhöhten Aufwand, und eine gewisse Flexibilität. Manches erfolgt freiwillig, anderes ist "gesetzt", und man hat lediglich die Wahl, wie schnell man lernt, damit umzugehen. Hier bewährte digitale Beispiele:
- Interdisziplinäre Online-Zusammenarbeit, z.B. zum Austausch von Bildmaterial für Zweitmeinungen
- Online-Kongresse: für ortsunabhängiges Lernen und/oder Austausch
- Online-Trainings zu wiederkehrenden Themen, z.B. Arbeitssicherheit für neue Mitarbeiter
- Online-Meetings für eine schnelle Information des Teams
- Telemedizin: Online-Videogespräch zwischen Arzt und Patient, z.B. für einen ersten Befund und Durchsprache der weiteren Schritte
- Telemonitoring: Regelmäßige Überwachung von Verläufen und Veränderungen, z.B. bei Diabetes-Patienten
- Online-Informations-Videos für Patienten, z.B. zur Vorbereitung einer OP
- Online-Netzwerke nutzen für einen Wissens- und Erfahrungsaustausch
- Online-Plattformen nutzen, z.B. für eine Zusammenarbeit mit Digital Health Startups
- Online-Präsenz der Klinik oder Arztpraxis in sozialen Medien für Patienten: Angebot, Schwerpunkte, Teams, Erreichbarkeit, Informationen für Besucher / Angehörige
- Online-Präsenz für neue Mitarbeiter: Darstellung von Teams, oder den Vorzügen, in dieser Klinik / Praxis zu arbeiten
- Bewerber-Ansprache: Online-Ansprache von Interessenten / möglichen neuen Mitarbeitern in sozialen Medien oder per Whatsapp
- Online-Rekrutierung: Als technisch-hinterlegter Online-Bewerbungsprozess
- Online-Einführungs-Video (kann auch selbst aufgenommen sein) für neue Mitarbeiter, z.B. zu aktuellen Themen in der Klinik
Digitale Führungs-Kompetenz anwenden
Für Chefärztinnen und Chefärzte und alle Führungskräfte ist digitale Kompetenz wichtig: Der richtige Umgang mit den Medien für die digitale Kommunikation und Zusammenarbeit will gekonnt angewandt werden. Neben den technischen Fähigkeiten im Online-Meeting gilt das besondere Augenmerk auf
- der Vermittlung von Informationen und Präsentionen
- der Moderierung von Diskussionen
- bis hin zur Online-Leitung von Entscheidungsgremien
- sowie verantwortungsvolle und sichere Nutzung digitaler Medien und Technologien
Es empfiehlt sich, bei größeren Gruppen ab 25 Teilnehmer einen Präsentierenden, und einen Organisator zu haben, der z.B. den Gruppenchat im Auge behält, und bei Bedarf die Fragen oder Kommentare gebündelt weiter gibt an den Referenten. Oder ein Mitarbeiter ist verantwortlich für die Technik (Ton, Bild, für die Präsentation), und der kann sich voll auf den Inhalt / seine Ansprache konzentrieren.
Digitalisierung einführen - rechnen Sie mit Widerstand
Seien Sie sich bewußt: Nicht jeder Mitarbeiter oder Patient wird die Einführung von Digitalisierung befürworten. Etwas neues zu lernen ist nicht für alle Menschen eine Freude. Die Gründe können vielfältig sein.
- Angst vor Arbeitsplatzverlust: Wird der Mensch / mein Arbeitsplatz als Mitarbeiter durch Technik und Digitalisierung ersetzt?
- Vorsicht vor Veränderungen, die eine Änderung des gwohnten Arbeitsablaufes mitbringen, Änderung der gewohnten und lieb gewonnenen Routine
- die Angst, Fehler zu machen
- die Sorge, etwas kaputt zu machen
- Angst vor Überforderung
- Sorge, den Bezug zum Menschen zu verlieren
- die Befürchtung, für unfähig gehalten zu werden, wenn man nicht alles sofort versteht
- Bedenken vor rechtlichen Konsequenzen, z.B. im Umgang mit sensiblen Daten: was kann / darf / muss gespeichert und dokumentiert werden?
Ob Sie glauben, Sie können es - oder, ob Sie glauben, Sie können es nicht: Sie werden Recht behalten. Frei nach Henry Ford bedeutet dies: Ihre innere Einstellung und Ihre Glaubenssätze sind mächtig. Jemand, der von sich überzeugt ist, „zu alt zu sein“, sieht keine Veranlassung, sich selbst zu widersprechen. Im Gegenteil, er wird seinen Blick unbewusst selektiv auf die Fehlschläge richten, und sagen „Siehst du, habe ich es doch gewusst, das das nicht funktionieren kann.“
Innere Haltung zur Förderung der digitale Kompetenz
Die Aussage "Ich kann das nicht" bedeutet sowohl eine Wertung im Hinblick auf die eigene Kompetenz, als auch auf die digitalen Anforderungen. Hinderliche Meinungen zur digitalen Kompetenz können neu bewertet werden. Dies geschieht beispielsweise, in dem man sich offen informiert, und prüft, ob es auch andere, positive Meinungen gibt. Beispiele für förderliche Haltungen und positive Glaubenssätze:
- Ich bin offen, Neues zu lernen
- Digitalisierung kann uns Zeit und Geld sparen
- Ich bin neugierig, was wir mit Digitalisierung erreichen können
- Digitalisierung ermöglicht mir neue Wege der Zusammenarbeit
- Digitalisierung hilft mir, die Patienten unkompliziert und schneller zu betreuen
- Durch Digitalisierung kann ich schneller in Kontakt kommen mit Kollegen oder Patienten
Meine Erste Hilfe Tipps - Digitale Kompetenz erweitern
Wenn Sie „Digitalisierung“ einführen, haben Sie idealerweise einen Experten für die Digitalisierung / die Technik zur Hand, und einen weiteren Experten, der bei der Erweiterung der digitalen Kompetenz unterstützt. Das "A und O" sind die Akzeptanz und Offenheit im Umgang mit digitalen Anwendungen. Die innere Einstellung ist auch hier, wie bei allen Veränderungen und Handlungen, ein großer Baustein zu einem erfolgreichen Gelingen.
Akzeptanz
akzeptieren Sie das, was Sie nicht ändern können. Sie können die Einführung bestimmter digitaler Anwendungen nicht umgehen. Sie können sich jedoch bewußt entscheiden, wie Sie damit umgehen. Vermeiden Sie verärgerte Aussagen (auch die von Mitarbeitern / Teamkollegen). Fördern Sie stattdessen den Blick auf Arbeitserleichterungen und Zeitersparnis, positive Aussagen von Patienten, oder neue Möglichkeiten.
Offenheit
Seien Sie offen, bleiben Sie neugierig. Stellen Sie sich die Einführung mit den Augen eines sechsjährigen Kindes vor, das staunt und sich freut, was alles möglich ist. Beobachten Sie erst einmal, ohne zu bewerten. Diese Beobachtung setzt bei einer anschließenden Beschreibung voraus, nur Sichtbares anzugeben, ohne Zuschreibungen, Mutmaßungen, Interpretationen. So, als würden Sie durch eine Video-Kamera blicken, und nur tatsächlich Sichtbares dokumentieren.
Vernetzung und Austausch
Stärken Sie die Vernetzung, stärken Sie den Austausch im Team untereinander. Lassen Sie auch kritische Beiträge zu: Ängste, Sorgen, Schwierigkeiten möchten wahr genommen werden. Lassen Sie Kollegen aus dem Team Stellung nehmen, und finden Sie Befürworter im Team, die diese Befürchtungen entkräften können, vielleicht durch praktische Beispiele und eigene gute Erfahrungen.
EU-Test zur digitalen Kompetenz
Ein digitales Profil kann man sich unverbindlich erstellen mittels eines anonymen Online-Tests auf der Webseite "europass" der Europäischen Union: Test: Digitale Kompetenzen (-> Direkt zum Feld gehen: "Test beginnen", Dauer 10-15 Min). Es werden keine persönlichen Daten abgefragt. Im Anschluss kann man sich die Auswertung als pdf herunter laden, ohne Email-Versand.
In der Auswertung finden Sie Details zu:
- Informations- und Datenkompetenz
- Kommunikation und Kooperation
- Erstellung digitaler Inhalte
- Sicherheit
- Problemlösung
Danke: Photo by ThisisEngineering RAEng & w_elisa_ventur & andrea-de-santis on Unsplash
Beitrag von Diana Runge, Gründerin docopulco & Online Coach für Chefärzt/innen